0200 St. Hedwigs-Kathedrale:
Wertschätzende Neuordnung


Ort
Berlin
Planung / Realisierung
2013-2014 - Offener Realisierungswettbewerb, 2. Phasen
Bauherr
Erzbistum Berlin
Größe
ca. 2.580qm
Architekt

Muck Petzet und Partner Architekten
Team
Muck Petzet
Tibor Bielicky, Christian Rapp, Przemyslaw Skrzypczyk, Wolfram Winter, Ksenija Zdesar


Die St. Hedwigs-Kathedrale ist Zeugnis einer einzigartigen Geschichte, in der um die jeweils richtige und zeitgemäße Raumfassung für die Liturgie gerungen wurde. Die letzte Fassung entstand als Ausdruck eines Neuanfangs nach der fast vollständigen Zerstörung der Kirche und der Teilung Deutschlands und seiner Kirchen. Sie ist auch Ausdruck einer liturgischen Reformbewegung, die sich schließlich im 2. vatikanischen Konzil manifestierte. Der Altar als dezentrale, vertikale Achse, als Verbindung von Himmel und Erde ist der zentrale Gedanke des Schwippertschen Raumkonzeptes. Dieser Gedanke wurde konsequent aus dem räumlichen Potential des hohen Kuppelbaus mit seinem zentralen Lichtauge entwickelt. In der Ausformulierung wurde dieses bestechende Konzept jedoch - unseres Erachtens - geschwächt durch die Überlagerung der geistigen, leeren Mitte mit der Erschließungsfunktion für die Unterkirche. Die Treppenanlage zerschneidet nicht nur das Kirchenschiff, sie nimmt auch der Unterkirche die eigentlich vorhandenen räumlichen Potentiale: Die Bänke stehen zum großen Teil hinter dem Treppenlauf. Der Blick der Gläubigen zum Altar muss dieses Hindernis überwinden.
Diesen räumlichen - und letztlich auch liturgischen Problemen steht der Wert des Schwippertschen Entwurfs und der bis heute fast unverändert überlieferten architektonischen und Ausstattungs-Details gegenüber, die nicht nur historische und materielle Werte darstellen - sondern auch eine starke Authentizität ausstrahlen und Identität stiften.

Wir verstehen unser Konzept als Klärung und schöpferische Weiterentwicklung des Vorhandenen. Die vorhandene Architektur und ihre Geschichte werden zum Material für die Neugestaltung. Auch verschütterte Zeitschichten wurden dabei neu entdeckt und integriert – so hat etwa die Kirche Friedrichs des Großen in der Hängung der Leuchter aus der Kuppel angeregt – oder die Umgestaltung von Clemens Holzmeister die Öffnungen der großen Rotunde zur kleinen. Die Schwippertsche Gestaltung und die in ihr eingeschriebenen Spuren der wechselvollen Geschichte des letzten Jahrhunderts bleibt mit allen Ausstattungsdetails vollständig erhalten – und wird neu und zeitgenössisch erfahrbar gemacht.

Es entsteht eine neue Kirche - mit der wertvollen Substanz und den Geschichtsspuren der alten. Mit minimalinvasiven aber intelligenten Mitteln können die praktischen und liturgischen Probleme der bestehenden Situation ganz pragmatisch gelöst werden.
Z.B. bietet sich die bestehende Treppenanlage zur Unterkirche ideal als Aufstellort für den Chor an - dieser steht damit als Teil der Gemeinde in der Mitte der Kirche - aufwändige technische Einbauten und Bühnen sind nicht notwendig. Den Zugang zur Unterkirche haben wir durch den Einbau zusätzlicher Treppen und der geforderten Aufzüge verbessert.
Auch die bestehende Altarinsel haben wir nur sanft neu geordnet und dabei dem Ambo einen neuen Platz gegeben. Die zentrale Idee der Schwippertschen Vertikalachse der Altersäule bleibt uneingeschränkt erhalten - wir schlagen jedoch vor die obere Altarplatte auf ein freistehendes Gestell zu verschieben - um so das Umschreiten des Altars zu ermöglichen.